ViezStories


Interview mit dem Wiltinger Viez e.V.

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Von Apfel-Retter*innen zum eigenen Verein



Sie bilden den Kern des Vereins WiltingerViez (v.l.): Marius, Julia, Tobias, Johannes, Constantin, Heiko, Thomas, Simon, Jan und Peter.
Copyright by Wiltinger Viez e.V.

Als wir in Wiltingen auf dem Hof der Familie Schmitz ankommen, ist noch nicht viel los. Ein schwarzer, großer Kater streift umher – Familienkater Mats, wie wir später erfahren – und beäugt uns misstrauisch. Bis auf das große Presssystem im Carport lässt auf den ersten Blick recht wenig darauf schließen, dass hier Viez hergestellt wird. Wir erkundigen uns beim großen Haus im Hof und werden zum Hinterbau verwiesen. Sobald wir dort die Tür öffnen, werden wir gleich von einer Truppe junger Männer begrüßt, die alle fleißig mit den Abfüllarbeiten ihrer Produkte zugange sind. Direkt auf uns zu kommt Simon Lemling, der uns einen Viez und eine Führung durch den Weinkeller anbietet.
Simon ist eines von zehn Mitgliedern des WiltingerViez e.V., ein Verein gegründet von einer Freundesgruppe, die jetzt schon seit fast zehn Jahren ihren eigenen Viez produziert. Angefangen hat das ganze als Hobby während des Studiums aus der Motivation heraus, möglichst viele Äpfel von Streuobstwiesen aus Wiltingen selbst sowie aus umliegenden Dörfern zu sammeln und vor dem Verfaulen zu retten – ganz gleich ihrer Form und Farbe. Zusätzlich konnten sich die Studierenden so natürlich auch ein paar Getränke zum Eigenverbrauch sichern.

Mangels Equipment beim ersten Keltern hat die Truppe damals die Äpfel bei einem befreundeten Winzer gepresst; seitdem ist das Projekt Stück für Stück gewachsen. Die Menge an Viez wurde zunehmend größer, sodass die Freund*innen nicht mehr alles selbst verbrauchen konnten. So begannen sie irgendwann, den Viez zu verkaufen, und durch das eingenommene Geld allmählich auch die Ausrüstung für die Produktion zu verbessern. Mittlerweile sind die Produkte des WiltingerViez oft schon Ende des Sommers vergriffen, und das liegt vor allem daran, das die Produktion für die Freundesgruppe trotz allen Erfolges ein Hobby bleiben soll: „Wir machen’s so, dass es für uns noch Spaß macht und es nicht zur Arbeit wird,“ sagt Simon. Viel zu tun ist aber trotzdem, denn so ein Viez produziert sich ja nicht von alleine – zumindest nicht, bevor die Gärung einsetzt.
Je nach Wetter beginnt die Viez-Saison im September oder Oktober mit der Apfelernte, die üblicherweise zwei bis drei Wochen andauert. In dieser Zeit fahren Simon und die anderen Vereinsmitglieder die Äpfel entweder selbst abholen oder bekommen diese von umliegenden Bauernhöfen sowie Streuobstwiesenbesitzer*innen zugeliefert. Das passiert vor allem unter der Woche, sodass am Wochenende genug Zeit bleibt, das Obst zu verarbeiten und zu pressen. Der frisch gewonnene Apfelsaft wird dann in Fässer gefüllt, in denen schließlich die Gärung stattfinden kann, die den Apfelsaft zum Viez macht.
Genau diese Fässer zeigt Simon uns bei der Führung durch den kühlen Weinkeller. Von insgesamt sieben großen Behältnissen, die vom Boden fast bis zur Decke ragen, fallen uns drei besonders ins Auge, die sich weiter hinten im Raum befinden. Simon erzählt uns, dass es sich bei diesen um alte Weinfässer der Familie Schmitz handelt. Tobias Schmitz, einer der Söhne in der Familie und ebenfalls Mitglied beim WiltingerViez e.V., übernimmt die Rolle des Kellermeisters und hat nach der Ernte einiges zu tun, während der Rest der Truppe ein wenig verschnaufen kann. Doch neben dieser wichtigen Aufgabe im Herstellungsprozess ist es Tobias und seiner Familie zu verdanken, dass der Verein seiner Tätigkeit überhaupt in diesem Maße nachgehen kann: Das Grundstück stellt die Familie der Freundesgruppe zur Verfügung und dieses ist komplett unterkellert, sehr geräumig und durch die bisherige Nutzung als Weinkeller zudem nicht empfindlich, was die Raumfeuchtigkeit betrifft – also die perfekten Bedingungen für die Viezproduktion. Zusätzlich stellen die drei großen Weinfässer eine gute Starthilfe dar, genau wie der große Hof die entsprechenden Gerätschaften und Lager mit Leichtigkeit unterbringt.

Sobald der Viez fertig durchgegoren ist, folgt im Januar und Februar schließlich das Abfüllen. Bis es in der nächsten Saison wieder mit der Apfelernte im Herbst losgeht, stehen allerdings noch ein paar Veranstaltungen an: Nach der Ernte bereitet die Gruppe schon ihren beliebten Glühviez – der übrigens durch mehrere Experimente mit verschiedenen Äpfeln und Gewürzen entstanden ist – für den Sterntaler Weihnachtsmarkt in Trier vor und im Mai versorgen sie die Besucher*innen des Saarpedals mit Viez, Cider und Apfelsaft. Für den Fall, dass man über diese Termine hinaus die Produkte des WiltingerViez nicht missen will, veranstaltet der Verein jeden letzten Samstag im Monat einen Hofverkauf; vereinzelt gibt es die Getränke auch beim Bäcker in Wiltingen oder in der Tankstelle vor Ort zu finden.
Trotz all der investierten Zeit fühlt sich das Projekt auch nach fast zehn Jahren für die Freund*innen nicht wie Arbeit an. Vor allem die Ernte macht der Gruppe eine Menge Spaß, und neben Vereinsausflügen zur Apfelwein-Messe nach Frankfurt ist auch das Zusammensein mit den jährlichen Helfer*innen ein Highlight. „Da machen wir oft eine Weinwanderung mit verschiedenen Stationen als Dank an die Helfer, und dieses Zusammensein, das Gesellige ist eigentlich immer schön,“ schmunzelt Simon.
Wir gehen hinaus in den Hof und bewegen uns gemeinsam Richtung Carport; dort findet immer der Hofverkauf des Vereins statt. Kater Mats ist mittlerweile schon weniger misstrauisch uns gegenüber und lässt sich streicheln, und hat dabei, obwohl sich der Hof zunehmend mit Menschen füllt, keine Eile. An den Trubel vor Ort ist er wahrscheinlich schon gewöhnt. Zusätzlich ist die Stimmung trotz des Betriebs gelassen und familiär, das findet auch Simon: „[Ich] finde es cool, dass wir es bis jetzt geschafft haben, obwohl wir immer gewachsen sind, dass es nicht wirklich in Arbeit ausgeartet ist. Und da würde ich mir wünschen, dass das auch so bleibt: Dass es für uns immer noch Spaß macht.“