ViezStories


Interview mit dem Verein Viezstraße e.V.

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Vom Regionaltourismus und Diversität in der Viez-Kultur



Wolfgang Schmitt, Vorsitzender der Viezstraße e.V..
Copyright by Wolfgang Schmitt

Als wir beim Obstbau-Betrieb von Herrn Schmitt ankommen, springt uns das rot-grüne Schild mit dem Logo der Route du Cidre schon von weitem ins Auge. Auf der Suche nach Geschichten aus der Region hat es uns heute bis nach Merzig im Saarland verschlagen, wo uns der Vorsitzende der Viezstraße e.V. gut gelaunt empfängt.
Wolfgang Schmitt, der auch einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb mit Lohnkelterei und Hofladen führt, ist bereits seit 5 Jahren Vorsitz des regionalen Kulturvereins. Zu seinem 25-jährigem Bestehen dieses Jahr zählt er 110 Mitglieder, darunter eine Vielfalt an Betrieben rund um den Apfel – u.a. Gastronomien, Keltereien, Baumschulen – sowie Kommunen und Privatpersonen. Sie alle tragen heute zur Viezstraße bei, einer vom Verein initiierten, 175 km langen touristischen Route von Merzig bis nach Trier. Die Autostraße windet sich durch die einzigartige Landschaft des Saargaus und durch Dörfer wie Mannebach und Sinz, in denen das traditionelle Landleben noch spürbar ist und neben Viez weitere regionale Leckereien aus Äpfeln und artverwandten Früchten angeboten werden, darunter Brände, Sekt, Marmeladen und Backwaren. Auch besondere Viez-Kreationen wie Viez-Trüffel oder Eis-Viez gibt es zu finden.
Ebenso sind zahlreiche Sehenswürdigkeiten in Zusammenhang mit Viez zu entdecken, wie das Brennereimuseum in Tettingen oder der Roscheider Hof in Konz, der der traditionellen Viez- und Schnapsherstellung sogar einen eigenen Ausstellungsraum gewidmet hat. In der Viezstraße-Saison von Mai bis in den Spätherbst finden überdies viele Veranstaltungen entlang der Route statt, bspw. das Merziger Viezfest im Oktober. Neben der Viez-Kultur prägen die Route du Cidre vor allem die für die Gegend typischen Streuobstwiesen. „Die Landschaft ist das wichtigste,“ bestätigt Wolfgang Schmitt, „[...] hier ist es viel kleinzelliger.“ Und: „Wenn wir hier Gäste haben, die sagen: hier steht alles voller Bäume. […] Es ist auch wirklich so, selbst in den Hecken sind Bäume mit Äpfeln.“

Die Viezstraße versucht damit, beides zusammenzuführen: Tourismus und regionale Produkte. Ihre Gründung war vor allem von der Idee motiviert, den regionalen Betrieben bessere Absatzmöglichkeiten gegenüber der die Region und auch Gastronomie dominierenden Industrie zu geben. Da man in Trier in fast jeder Kneipe einen anderen Viez trinken kann, stoßen wir an dieser Stelle zum ersten Mal auf einen Hinweis, dass es auch innerhalb der Viez-Region Diversität zu entdecken gibt. Herr Schmitt erklärt uns, dass man hier den Viez eher im Privaten trinkt, aus dem eigenen Keller. Zur Sicherung der Selbstversorgung besitzt jede Familie mindestens einen eigenen Baum; zudem werden nur die eigenen regionalen Äpfel verviezt.

Auch in Geschmack und Produktpalette entdecken wir Unterschiede. Während in Trier in erster Linie der klassische Viez angeboten wird, oft in Kombination mit Sprudel, Cola oder Limo, gibt es in den Keltereien rund um Merzig daneben häufig Viez-Spezialitäten zu kaufen, die z.B. mit Quitten oder Schlehen verfeinert wurden. Die Mischung mit Softdrinks ist eher unüblich. Herr Schmitt ist der Meinung: „Viez muss auch pur schmecken.“
An der Viezstraße gibt es außerdem viele Viez-Clubs und Vereine, die ihre eigene Kelterei betreiben und sich rund um Pflege und Erhalt der Streuobstwiesen engagieren. Den einmaligen Lebensraum fördert auch die Viezstraße e.V., u.a. durch die Mitgliedschaft im Verband der Gartenbauvereine und Beteiligung an der Obstbau-Börse. Denn: „Ohne Bäume keine Äpfel, ohne Äpfel keinen Viez.“
Dass die Verwertungskultur rund um die über 100 verschiedenen regionalen Apfelsorten und insbesondere der Viez ein Alleinstellungsmerkmal sind, scheint allerdings an der Viezstraße nicht überall bewusst zu sein. Herr Schmitt findet das schade: „Viez ist hier gegenwärtig […]. Die Außenstehenden sagen immer, das ist die Viez-Gegend, das ist die Apfel-Gegend. […] Aber einige Leute hier vor Ort sehen das vielleicht nicht mehr so. Da muss man wieder dran arbeiten.“
Nicht zuletzt deswegen engagiert sich der Verein auch in der Förderung des Stellenwerts und im Traditionserhalt. In den vergangenen 25 Jahren hat sich bereits viel getan, u.a. sind die politischen Kommunen dem Verein beigetreten. Heute agiert er als eine Art Dachverband, der mit einem gemeinsamen Internet-Auftritt, Broschüren und Straßenschildern den regionalen Tourismus fördert.

Logo der Viezstraße e.V..
Copyright by Wolfgang Schmitt

Zum Abschluss erzählt uns Herr Schmitt von seinen Kindheitserinnerungen, vom „zuckersüßen Viez“, der nach der Apfelpresse aus der Kelter im eigenen Garten tropft und mit dem Mund aufgefangen wurde. Schon als kleiner Junge half er seinem Vater beim Pflanzen der Apfelbäume, die für ihn alles waren. Für Wolfgang Schmitt ist Viez deswegen ein Stück Identität, das nicht verloren gehen darf.
Auf unserem Weg zurück nach Trier fällt uns mehr als einmal die wunderschöne Landschaft der Gegend auf, die Anzahl der Bäume – und auch das ein oder andere Viezstraßen-Schild.